Versunkene Kontinente nahe dem Erdkern könnten unser Magnetfeld aus dem Gleichgewicht bringen

Tief im Inneren der Erde, an der Grenze zwischen dem geschmolzenen äußeren Kern und dem festen Erdmantel, verbergen sich gewaltige, mysteriöse Strukturen. Diese sogenannten "Large Low-Shear-Velocity Provinces" (LLSVPs), auch bekannt als "Superplumes", sind riesige Ansammlungen von dichtem Material, die sich über Tausende von Kilometern erstrecken. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass diese "versunkenen Kontinente" eine größere Rolle für die Dynamik des Erdmagnetfelds spielen könnten als bisher angenommen.

Erdmagnetfeld und Van-Allen-Gürtel (NASA)

Das Erdmagnetfeld, das uns vor schädlicher Sonnenstrahlung schützt, wird durch den sogenannten Geodynamo erzeugt. Dieser Prozess findet im äußeren Erdkern statt, wo flüssiges Eisen in komplexen Strömungsmustern zirkuliert. Die Konvektion des flüssigen Eisens, angetrieben durch Wärme aus dem inneren Erdkern, erzeugt elektrische Ströme, die wiederum das Magnetfeld aufrechterhalten.

Die LLSVPs, von denen sich eine unter Afrika und eine weitere unter dem Pazifik befindet, stellen eine erhebliche Störung für diesen Prozess dar. Sie sind dichter als das umgebende Mantelmaterial und haben wahrscheinlich auch eine andere chemische Zusammensetzung. Ihre Präsenz beeinflusst die Wärmeabfuhr aus dem Kern und somit die Konvektionsströmungen, die den Geodynamo antreiben.

Schichten der Erde: Geologischer Kern, Mantel, Kruste

Die Entdeckung der "versunkenen Kontinente"

Die Existenz der LLSVPs wurde durch seismische Tomographie entdeckt. Diese Methode nutzt Erdbebenwellen, um ein dreidimensionales Bild des Erdinneren zu erstellen. Ähnlich wie ein CT-Scan in der Medizin ermöglichen seismische Wellen, die durch die Erde laufen, Einblicke in die Struktur und Zusammensetzung des Erdinneren. Die LLSVPs zeichnen sich dadurch aus, dass sie seismische Wellen verlangsamen, was auf ihre höhere Dichte hindeutet.

Die genaue Herkunft und Zusammensetzung der LLSVPs ist Gegenstand intensiver Forschung. Eine führende Theorie besagt, dass es sich um Überreste von uralten ozeanischen Platten handelt, die durch Plattentektonik in den Erdmantel subduziert wurden. Über Jahrmillionen sanken diese Platten immer tiefer, bis sie schließlich die Kern-Mantel-Grenze erreichten. Dort sammelten sie sich und bildeten die riesigen Strukturen, die wir heute als LLSVPs beobachten.

Andere Hypothesen sehen einen Zusammenhang mit dem hypothetischen Einschlag des "Protoplaneten" Theia mit der jungen Erde. Durch diesen Zusammenstoß soll der Mond entstanden sein, Teile von Theia könnten aber auch tief in die Erde eingedrungen sein.

Anatomie der pazifischen und afrikanischen Anomalien im unteren Erdmantel

Der Einfluss auf das Magnetfeld

Die neuen Forschungsergebnisse, die in Fachzeitschriften wie "Nature Geoscience" veröffentlicht wurden, zeigen, dass die LLSVPs die Konvektionsmuster im äußeren Kern erheblich beeinflussen. Sie wirken wie "Isolatoren", die den Wärmefluss aus dem Kern in den Mantel behindern. Dies führt zu lokalen Veränderungen in der Temperatur und der Strömungsgeschwindigkeit des flüssigen Eisens.

Diese Veränderungen können sich auf verschiedene Weise auf das Magnetfeld auswirken:

  • Schwächung des Feldes: Eine ungleichmäßige Wärmeabfuhr aus dem Kern kann zu einer Schwächung des Magnetfelds in bestimmten Regionen führen. Dies ist besonders relevant für die Südatlantische Anomalie, eine Region mit ungewöhnlich schwacher Magnetfeldstärke, die sich über dem Südatlantik und Teilen Südamerikas erstreckt.
  • Verlagerung der Pole: Die LLSVPs könnten auch die Position der magnetischen Pole beeinflussen. Es gibt Hinweise darauf, dass die Bewegung der Pole mit Veränderungen in der Struktur der LLSVPs korreliert.
  • Magnetfeldumkehrungen: In der Erdgeschichte hat sich das Magnetfeld immer wieder umgekehrt, d.h. der magnetische Nordpol wurde zum Südpol und umgekehrt. Diese Umpolungen sind in Gesteinen aufgezeichnet und treten unregelmäßig auf. Die LLSVPs könnten eine Rolle bei der Auslösung dieser Umpolungen spielen, indem sie die Stabilität des Geodynamos stören.
  • Änderung der Feldstärke Studien deuten an, dass das Vorhandensein der LLSVPs zu regional abweichenden Mustern bei der Abkühlung der Erde und somit zu einer Veränderung in der globalen Feldstärke führen könnte.

Die Südatlantische Anomalie

Die Südatlantische Anomalie ist ein besonderer Fokus der Forschung. In dieser Region ist das Magnetfeld deutlich schwächer als im globalen Durchschnitt. Dies führt dazu, dass Satelliten, die diese Region passieren, einer erhöhten Strahlung ausgesetzt sind, was zu technischen Problemen führen kann. Die Anomalie wächst und wandert, und die Ursachen sind sehr wahrscheinlich in den Prozessen an der Kern-Mantel-Grenze begründet.

Das Erdmagnetfeld schützt vor schädlichen Sonnenpartikeln

Zukünftige Forschung

Die Erforschung der LLSVPs und ihres Einflusses auf das Erdmagnetfeld ist ein aktives und sich schnell entwickelndes Forschungsgebiet. Wissenschaftler nutzen eine Kombination aus seismischen Daten, geodynamischen Modellen und Gesteinsanalysen, um ein immer detaillierteres Bild dieser Strukturen und ihrer Auswirkungen zu erhalten.

Zukünftige Missionen, wie beispielsweise die Swarm-Satellitenmission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), liefern hochpräzise Daten über das Erdmagnetfeld und seine Veränderungen. Diese Daten sind entscheidend, um die komplexen Wechselwirkungen zwischen dem Erdkern, dem Mantel und dem Magnetfeld besser zu verstehen.

Verbesserte Computermodelle, die die Dynamik des Erdinneren simulieren, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Diese Modelle ermöglichen es, die Auswirkungen der LLSVPs auf die Konvektionsströmungen im äußeren Kern und die daraus resultierenden Veränderungen des Magnetfelds zu untersuchen.

Fazit

Die "versunkenen Kontinente" tief im Erdinneren sind mehr als nur geologische Kuriositäten. Sie sind Schlüsselakteure in der Dynamik unseres Planeten und haben einen erheblichen Einfluss auf das Erdmagnetfeld, das uns vor schädlicher kosmischer Strahlung schützt. Die Erforschung dieser Strukturen ist nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch von praktischer Bedeutung, da Veränderungen im Magnetfeld Auswirkungen auf Satelliten, Kommunikationssysteme und möglicherweise sogar auf das Klima haben können. Die weitere Erforschung der LLSVP's wird essentiell sein, um die Zukunft unseres Magnetfeldes vorherzusagen und uns auf mögliche Veränderungen vorzubereiten.