Die stärkste Meeresströmung der Erde könnte sich um 20 % verlangsamen, während die Antarktis schmilzt
Eine neue Studie warnt davor, dass sich die stärkste Meeresströmung der Erde, der antarktische Zirkumpolarstrom, aufgrund des schmelzenden antarktischen Eises erheblich verlangsamen könnte. Diese Verlangsamung könnte weitreichende Folgen für das globale Klima, die Meeresspiegel und die marinen Ökosysteme haben.

Der antarktische Zirkumpolarstrom (ACC) ist die stärkste Meeresströmung der Welt. Er umrundet die Antarktis und verbindet den Atlantik, Pazifik und Indischen Ozean. Der ACC spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des globalen Klimas, indem er Wärme, Kohlenstoff und Nährstoffe um den Globus transportiert. Er beeinflusst auch die Meeresspiegel und die Verteilung der marinen Lebewesen.
Wissenschaftler haben anhand von Klimamodellen und ozeanographischen Beobachtungen festgestellt, dass die Geschwindigkeit des ACC in den letzten Jahrzehnten bereits abgenommen hat. Die neue Studie, die in der Fachzeitschrift *Nature Climate Change* veröffentlicht wurde, prognostiziert jedoch eine noch drastischere Verlangsamung in den kommenden Jahren. Die Forscher fanden heraus, dass sich der ACC bis 2050 um bis zu 20 Prozent verlangsamen könnte, wenn die antarktische Eisschmelze im aktuellen Tempo anhält.

Ursachen und Auswirkungen der Verlangsamung
Die Hauptursache für die Verlangsamung des ACC ist die zunehmende Schmelze des antarktischen Eises. Wenn das Eis schmilzt, gelangt Süßwasser in den Ozean. Dieses Süßwasser ist weniger dicht als Salzwasser und verringert die Dichte des Oberflächenwassers um die Antarktis. Diese geringere Dichte schwächt den Antrieb des ACC, der durch Dichteunterschiede im Ozean angetrieben wird.
Die Verlangsamung des ACC könnte eine Reihe von Auswirkungen haben:
- Veränderungen im globalen Klima: Der ACC spielt eine wichtige Rolle bei der Verteilung von Wärme um den Globus. Eine Verlangsamung könnte zu einer Erwärmung in einigen Regionen und einer Abkühlung in anderen führen.
- Anstieg des Meeresspiegels: Der ACC trägt dazu bei, den Meeresspiegel in einigen Regionen niedrig zu halten. Eine Verlangsamung könnte zu einem beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels in diesen Gebieten führen.
- Veränderungen in den marinen Ökosystemen: Der ACC transportiert Nährstoffe, die für das marine Leben wichtig sind. Eine Verlangsamung könnte die Verfügbarkeit dieser Nährstoffe verringern und die marinen Ökosysteme beeinträchtigen. Insbesondere könnte es zu einer Reduktion des Phytoplanktons kommen, das die Basis der Nahrungskette im Südpolarmeer bildet.
- Reduzierte Kohlenstoffaufnahme: Der Ozean nimmt große Mengen an Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf. Der ACC spielt eine wichtige Rolle bei diesem Prozess. Eine Verlangsamung des Stroms könnte die Fähigkeit des Ozeans, CO2 aufzunehmen, verringern und somit den Klimawandel verstärken.
- Auswirkungen auf die Tiefsee: Die Verlangsamung des ACC betrifft nicht nur die Oberfläche, sondern auch die Tiefsee. Die Zirkulation in der Tiefsee könnte sich verändern, was Auswirkungen auf die dort lebenden Organismen und die geochemischen Kreisläufe hätte.
Weitere Forschung und Maßnahmen
Die Wissenschaftler betonen, dass weitere Forschung erforderlich ist, um die genauen Auswirkungen der Verlangsamung des ACC zu verstehen. Es ist jedoch klar, dass die schmelzende Antarktis eine ernsthafte Bedrohung für das globale Klima und die Ozeane darstellt.
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Dringlichkeit, Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu ergreifen. Nur so kann die Eisschmelze in der Antarktis verlangsamt und die potenziell katastrophalen Folgen einer Verlangsamung des ACC abgemildert werden. Die internationale Gemeinschaft muss zusammenarbeiten, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Die Studie zeigt auch die Notwendigkeit, die Überwachung des ACC und der antarktischen Eisschmelze zu verstärken. Kontinuierliche Beobachtungen und verbesserte Klimamodelle sind entscheidend, um die Veränderungen im Ozean besser zu verstehen und fundierte Entscheidungen über Klimaschutzmaßnahmen treffen zu können. Zusätzlich zu globalen Anstrengungen zur Reduzierung von Treibhausgasen könnten auch regionale Anpassungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden, um die Auswirkungen der ACC-Verlangsamung auf bestimmte Küstenregionen und marine Ökosysteme zu minimieren. Dies könnte den Schutz von Küsteninfrastruktur, die Anpassung von Fischereipraktiken und die Einrichtung von Meeresschutzgebieten umfassen.
Die Verlangsamung des Antarktischen Zirkumpolarstroms ist ein weiteres alarmierendes Zeichen für die Auswirkungen des Klimawandels. Das Schmelzen der Antarktis ist nicht nur ein Problem für Eisbären und Pinguine – es hat globale Auswirkungen, die uns alle betreffen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig: Wir müssen jetzt handeln, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern.
Die Komplexität des Klimasystems und die Wechselwirkungen zwischen Ozean, Atmosphäre und Eisschilden erfordern einen interdisziplinären Ansatz. Die Zusammenarbeit von Ozeanographen, Klimatologen, Glaziologen und anderen Forschern ist unerlässlich, um ein umfassendes Bild der Veränderungen zu erhalten und effektive Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen zu entwickeln. Die Forschungsergebnisse tragen auch zu einem besseren Verständnis des "atlantischen Umwälzkreislaufs" (AMOC) bei, einem weiteren wichtigen System von Meeresströmungen, das ebenfalls Anzeichen einer Abschwächung zeigt. Die Verlangsamung des ACC und der AMOC sind miteinander verbundene Phänomene, die das Potenzial haben, das globale Klima erheblich zu stören.